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Medikamente am Steuer können je nach Wirkstoffgruppe und persönliche Empfindlichkeit Auswirkungen auf Ihre Fahrtüchtigkeit haben.
Die letzte Sporteinheit war mal wieder etwas zu stark und jetzt leiden Sie unter Muskelschmerzen. Schnell eine Ibuprofen eingeworfen und dann ins Auto gesetzt, um zur Arbeit zu fahren – oder doch nicht? Wie beeinflussen Medikamente die Fahrtüchtigkeit und was passiert, wenn Sie unter Medikamenteneinfluss in einen Unfall verwickelt werden?
Wichtig zu wissen ist:
- Medikamente können schläfrig machen und so das Auftreten des Sekundenschlafs erhöhen.
- Manche Medikamente führen zu Wahrnehmungsstörungen, wie etwa einem verschwommenen Sichtfeld.
- Aufgrund Nebenwirkungen wie verschwommene Sicht und Schläfrigkeit ist die Reaktionsgeschwindigkeit teilweise deutlich herabgesetzt.
- Einige Medikamente reduzieren auch Angst und Gefahrenbewusstsein, wieder andere machen emotional gefühlskalt. Das sind ebenfalls Nebenwirkungen, die beim Autofahren gefährlich werden können.
Deshalb gilt: Lesen Sie immer die Packungsbeilage von Medikamenten, um Nebenwirkungen und Ihre Fahrtüchtigkeit abzuschätzen.
Wichtig zu wissen: Individuelle Reaktionen auf Medikamente
Medikamente sind in Deutschland durch Kontrollgruppen auf Ihre Nebenwirkungen geprüft – das bedeutet jedoch nicht, dass die Wirkung und damit auch die Nebenwirkung bei jedem gleich ist. Während der eine mit dem Heuschnupfenmedikament gut fahren kann, wird ein anderer davon schläfrig. Planen Sie, sich hinters Steuer zu setzen, nehmen Sie also am besten keine Medikamente ein, die Sie vorher noch nie eingenommen haben.
Gesetzliche Grundlagen bei Medikamenten am Steuer
Am Steuer verboten sind jegliche berauschende Mittel und Substanzen, da diese die Wahrnehmung verändern. Dazu gehören zum Beispiel auch Morphin, Amphetamin und Benzoylecogin. Morphin kommt häufig in starken Schmerzmitteln vor, Amphetamin in ADHS-Medikamenten wie Ritalin und Benzoylecolin in Beruhigungsmitteln wie Tavor und Valium. Wer jedoch eine ärztliche Verordnung für diese Medikamente hat und sie ordnungsgemäß einnimmt, also nicht überdosiert, der darf diese Medikamente auch am Steuer nehmen, sofern er fahrtüchtig bleibt. Dies ist in § 24a StVG und wird auch „Arzneimittel-Privileg“ genannt. Die zulässige Dosis für die jeweiligen Medikamente bestimmt dabei der Arzt, es gibt keinen gesetzlichen Grenzwert. Ohne ärztliches Rezept wird schon die Nachweisbarkeit der genannten Rauschmittel mit einem Bußgeld bedacht.
Wichtig: Kommt es unter Einfluss dieser Medikamente zu einem Unfall und wird nachgewiesen, dass Sie eben aufgrund dieser nicht fahrtüchtig waren, sind Sie dennoch voll straffähig.
Noch einmal ganz klar:
Eine Ordnungswidrigkeit durch Medikamenteneinnahme mit genannten Wirkstoffen am Steuer liegt vor, wenn:
- ein Wirkstoff aus der Anlage von §24 a nachgewiesen wird und
- keine bestimmungsgemäße Medikamenteneinnahme vorliegt und
- die Konzentration über der Nachweisgrenze liegt
Der Wirkstoffnachweis allein reicht in einem solchen Fall aus, auch wenn keine Fahrunsicherheit festgestellt werden kann.
Besonderheiten bei THC am Steuer
Seit August 2024 gilt ein gesetzlicher Grenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum. Bleiben Sie unterhalb dieses Wertes, droht Ihnen kein Bußgeld, sofern Ihre Fahrweise nicht auffällig war. Der Mischkonsum von THC und Alkohol am Steuer ist strengstens untersagt. Bei der Verwendung von THC gilt ein absolutes Alkoholverbot.
Wichtig: ein absolutes Cannabisverbot am Steuer gilt außerdem für Fahranfänger sowie für junge Fahrer vor Vollendung des 21. Lebensjahres.
Häufige Wirkstoffgruppen und typische Nebenwirkungen
Die folgenden Listen ziehen beispielhaft einige Wirkstoffgruppen sowie Nebenwirkungen heran, die sich auf die Fahrtüchtigkeit auswirken können. Die Listen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit bei Wirkstoffen oder typischen Nebenwirkungen.
Schlaf- und Beruhigungsmittel
Sedativa und Hypnotika werden eingesetzt bei Schlafstörungen, innerer Unruhe und Angstzuständen. In einigen Fällen finden sich die Wirkstoffe auch bei Psychopharmaka.
- Benzodiazepine wie Diazepam (z.B. in Valium) und Lorazepam (z.B. in Tavor) macht schläfrig und führt zu einer verlängerten Reaktionszeit sowie Gleichgewichtsstörungen.
- Z-Substanzen wie Zolpidem und Zopiclon werden bei modernen Schlafmitteln eingesetzt und können einen Hang-over-Effekt am Folgetag sowie Koordinationsstörungen nach sich ziehen.
- Antihistaminika wie zum Beispiel Doxylamin werden eigentlich bei Antiallergika eingesetzt. Ihre Nebenwirkung, die Schläfrigkeit, machen sich aber auch einige freiverkäufliche Schlafmittel zu Nutze. Manchmal ist die Schläfrigkeit auch nach 8 Stunden Schlaf noch da und es kann somit zu verminderter Reaktion kommen.
- Pflanzliche Sedativa wie Baldrian oder Passionsblume können ebenfalls zu leichter Müdigkeit und verlangsamten Reaktionen führen, vor allem bei hohen Dosen.
Schmerzmittel
- Nicht-Opioide Schmerzmittel wie Ibuprofen, Diclofenac oder Naproxen sind in der Regel unbedenklich, führen in seltenen Fällen aber zu Schwindel und Sehstörungen.
- Zentral wirksame Analgetika (Schmerzmittel) wie Novalgin können Schwindel und Blutdruckabfall herbeiführen.
- Opioide Schmerzmittel wie Morphin, Tramadol, Oxycodon und andere beeinflussen die Konzentration, verlangsamen Reaktionen und machen müde.
Psychopharmaka
Psychopharmaka werden zum Beispiel als Anti-Depressiva, als Mittel bei Angststörung, aber auch bei ADHS eingesetzt.
- Anti-Depressiva wie Citalopram, Amitriptylin und Venlafaxin können vor allem in der Anfangszeit müde machen und die Konzentration stören. Bei den meisten Patienten verschwinden die Nebenwirkungen nach längerem Gebrauch.
- Neuroleptika wie Haloperidol und Risperidon verlangsamen oft die Reaktionen und wirken sedierend. Gefahrensituationen können eventuell nicht richtig eingeschätzt und entschärft werden.
- Stimulanzien wie ADHS-Medikamente, zum Beispiel Ritalin, können zu Schlafmangel führen. Dieser führt natürlich langfristig zu Müdigkeit und Konzentrationsprobleme. Auch hier nehmen die Nebenwirkungen jedoch nach längerer Einnahme ab.
- Beruhigungsmittel wie Aplrazolam und Oxazepam haben Schläfrigkeit und verlangsamte Reaktionen als Nebenwirkung.
Antiepileptika und Muskelrelaxanzien
Menschen mit Epilepsie oder Muskelspasmen dürfen Auto fahren, wenn ihre Eignung medizinisch festgestellt wurde. Bei Epileptikern bedeutet das zum Beispiel, sie müssen mindestens ein Jahr anfallsfrei sein oder die Anfälle dürfen nur im Schlaf auftreten etc. Bei einigen hilft auch die medikamentöse Einstellung, um diesen Zustand zu erreichen.
- Antiepileptika wie Carbamazepin oder Valproat können allerdings zum Sehen von Doppelbildern und verlangsamten Reaktionen führen.
- Muskelrelaxanzien wie Baclofen führen neben Reaktionsverzögerung und Müdigkeit auch zu Hypotonie, also schlaffen Muskeln. Es muss sichergestellt werden, dass dennoch eine Notbremsung bei Bedarf möglich ist.
Erkältungs- und Allergiemittel
Grippe, Heuschnupfen oder auch nur eine einfache Erkältung, schnell wird hier zu meistens freiverkäuflichen Medikamenten gegriffen.
- Antihistaminika der 1. Generation, etwa Dimetinden und Diphenhydramin können jedoch starke Müdigkeit als Nebenwirkungen haben.
- Bei Antihistaminika der 2. Generation wie Ceterizin und Loratadin tritt Müdigkeit nur noch selten auf.
- Kombipräparate mit Dextromethorphan oder Ephedrin sollten vermieden werden. Sie führen häufig zu Müdigkeit oder Konzentrationsschwankungen. Bekannte Medikamente sind etwa Wick MediNait und Aspirin Complex.
Tipps zur Vermeidung von Wechselwirkungen
Wechselwirkungen zwischen Medikamenten können zu unvorhergesehenen oder verstärkten Nebenwirkungen kommen. Das macht sie besonders gefährlich. Um Wechselwirkungen zu vermeiden, sollten Sie die folgenden Punkte beachten:
- Informieren Sie Ihren Arzt und Apotheker über alle Medikamente, die Sie einnehmen, um vor möglichen Wechselwirkungen gewarnt zu werden.
- Denken Sie dabei auch an frei verkäufliche Medikamente, die nicht verschreibungspflichtig sind.
- Fragen Sie bei jedem Medikament konkret nach möglichen Auswirkungen am Steuer.
- Lesen Sie die Packungsbeilage aufmerksam. Auch hier können Wechselwirkungen vermerkt sein.
- Warten Sie zwischen Medikamenteneinnahme und Autofahrt nach Möglichkeit eine Weile. Treten Wechselwirkungen auf, merken Sie diese so, bevor Sie sich ans Steuer setzen und können gegebenenfalls andere Pläne machen.
Medikamente am Steuer – was, wenn ein Unfall passiert?
Sobald Medikamente zur Fahruntüchtigkeit führen, wird der Fall nicht mehr nach § 24a StVG im Bußgeldkatalog, sondern nach dem Strafgesetzbuch behandelt. Wer klar fahruntüchtig durch berauschende Mittel wie Medikamente ist und sich dennoch hinters Steuer setzt, handelt mindestens fahrlässig, bei Fahren nach ärztlicher Warnung sogar grob fahrlässig. Ein Schuldfreispruch ist möglich, wenn Medikamente nach Vorschrift eingenommen wurden aber unerwartete Nebenwirkungen eingetreten sind. Unerwartet bedeutet: Nach langer Einnahme kam eine neue Nebenwirkung hinzu oder die Nebenwirkung – zum Beispiel Müdigkeit – wurde nicht im Beipackzettel vermerkt.
Zahlt die Versicherung bei Medikamenten am Steuer?
Bei einem Unfall unter Medikamenteneinfluss zahlt die Kfz-Haftpflicht wie gewohnt den Schaden des Unfallgegners. Sind Sie jedoch schuldhaft fahruntüchtig, etwa weil ärztliche Warnungen ignoriert wurden, fordert die Versicherung in der Regel Regress. Dieser kann bis zu 5.000 Euro betragen.
Auch Kaskoversicherungen leisten nicht für den eigenen Schaden, wenn grobe Fahrlässigkeit nach § 81 VVG vorliegt. Entsteht ein Unfall unter Medikamenteneinfluss und es liegt keine grobe Fahrlässigkeit vor, kann je nach Situation und Frage der Schuld, trotzdem die Leistung gekürzt oder vollständig verweigert werden.
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