- Wirtschaftlich, technisch oder unecht: Einordnung eines Totalschadens
- Die 130-Prozent-Regel beim wirtschaftlichen Totalschaden
- Berechnungsbeispiele für den wirtschaftlichen Totalschaden
Es passiert den Besten von uns: Durch eine kleine Unachtsamkeit im Straßenverkehr kommt es – zack – zum Autounfall! Sie sind zwar nicht Unfallverursacher, aber der Schreck sitzt tief. Neben dem eigenen gesundheitlichen Check-Up stellt sich nach einem Unfall natürlich auch die Frage nach dem Zustand des Pkws. Die erschreckende Diagnose: Wirtschaftlicher Totalschaden.
Doch was bedeutet das überhaupt? Wer zahlt in diesem Fall wann und wieviel? Und worin unterscheidet sich ein wirtschaftlicher von einem technischen oder unechten Totalschaden?
Im Jahr 2019 kam es in der Bundesrepublik Deutschland zu 2.685.661 Verkehrsunfällen. Mit rund zwei Millionen Unfällen ereignete sich der Großteil davon innerorts. Bei insgesamt 85,7 Prozent handelte es sich um Sachschadensunfälle ohne Personenschaden. (Statistisches Bundesamt Destatis, 2020)
Totalschaden: Wirtschaftlich, technisch oder unecht?
Während Totalschaden
beim ersten Hören sehr eindeutig klingt, wird hier in unterschiedliche Kategorien eingeteilt. Dafür braucht es die Hilfe von Profis: Ein unabhängiger Kfz-Sachverständiger erstellt ein Gutachten über die Kosten einer Reparatur sowie über Rest- und Wiederbeschaffungswert des verunfallten Fahrzeugs.
Dafür wird unter anderem die Schwacke-Liste
herangezogen, welche die Grundlage für jede Pkw-Bewertung bildet. Wird beim Gutachten festgestellt, dass das Auto irreparabel ist, der verkehrstüchtige Zustand also nicht wiederhergestellt werden kann, handelt es sich um einen technischen Totalschaden. Dann heißt es leider: Nichts geht mehr.
Dieselben Parameter braucht es auch in der nächsten Gleichung: Sind die Kosten für die Instandsetzung des Autos größer als die Differenz von Wiederbeschaffungswert und Restwert, liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Ganz klar, wirtschaftlich rechnet sich eine Reparatur auf den ersten Blick nicht.
Ein unechter Totalschaden kommt seltener vor. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich beim verunfallten Pkw um einen Neuwagen bzw. ein neuwertiges Fahrzeug handelt und man nicht Unfallverursacher ist. Auch, wenn die Reparatur des Autos technisch möglich und rechnerisch kein wirtschaftlicher Totalschaden wäre, würde die Wiederinstandsetzung einen immensen Wertverlust bedeuten.
In diesem Fall kann man sich bei der gegnerischen Versicherung den Anschaffungspreis des Wagens als Schadenersatz auszahlen lassen. Als unechter Totalschaden wird dieser Vorgang deshalb bezeichnet, weil er versicherungstechnisch einem wirtschaftlichen Totalschaden gleicht.
Ein wirtschaftlicher Totalschaden bei einem Auto
Das Gutachten ist erstellt, die Diagnose klar: Rein rechnerisch rentiert es sich nicht, den verunfallten Wagen zur Reparatur zu bringen. Ist man nicht der Unfallverursacher, kann man den Wagen nun für den Restwert verkaufen und sich von der gegnerischen Versicherung die Differenz zum Wiederbeschaffungswert auszahlen lassen.
Doch vielleicht hängt man an dem Auto, eventuell ist es sogar ein Sammlerstück. Beim Gedanken an einen Verkauf sträubt man sich. An dieser Stelle kann man von einer Sonderregelung Gebrauch machen: Der 130-Prozent-Regel. Diese greift dann, wenn die Reparaturkosten für den Unfallwagen den Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30 Prozent übersteigen. In diesem Fall kommt die gegnerische Versicherung für die entstehenden Kosten auf.
Voraussetzungen dafür gibt es jedoch: Die Instandsetzung des Wagens muss vollständig und fachgerecht erfolgen. Als Nachweis darüber sollte die Rechnung vorgelegt werden. Außerdem muss der Pkw anschließend noch für mindestens ein halbes Jahr gefahren werden. Übersteigen die voraussichtlichen Kosten die 130 Prozent, kann man vom Schädiger lediglich die Wiederbeschaffungskosten verlangen, da die Instandsetzung als wirtschaftlich unvernünftig eingestuft wird.
Das Gutachten über Schaden und Instandsetzung sollte von einem unabhängigen Kfz-Sachverständigen erstellt werden. Außerdem dürfen Sie sich durch den Schadenersatz nicht bereichern und das Auto entgegen der geschätzten Reparaturkosten viel günstiger instand setzen lassen.
Berechnungsbeispiel für einen echten Totalschaden
Ein echter Totalschaden kann entweder wirtschaftliche oder technische Gründe haben. Die Berechnung dafür ist relativ simpel:
Bei einem echten bzw. "normalen" Totalschaden übersteigen die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert. Kostet der Wagen also 9.000 € und die Reparaturkosten liegen über diesem Wert, liegt der klassische Fall vor. Beim wirtschaftlichen Totalschaden übersteigen die Kosten für die Instandsetzung die Differenz von Wiederbeschaffungswert und Restwert.
In beiden Fällen gilt: Selbst, wenn eine Wiederherstellung des Autos noch möglich wäre, sich aber finanziell nicht lohnt, spricht man daher von einem echten Totalschaden.
Auch ein technischer Totalschaden ist selbstverständlich ein echter Totalschaden. Die Rechnung ist hier schnell gemacht: Keine Rettung des Fahrzeugs in Sicht - der Restwert liegt bei 0 Euro und man erhält den vollen Wiederbeschaffungswert.
Berechnungsbeispiel für den wirtschaftlichen Totalschaden
Die Wiederbeschaffungskosten für einen gleichwertigen Pkw liegen bei 8.000 €. Der Restwert des Unfallwagens wurde im Gutachten mit 4.000 € festgelegt und die geschätzten Reparaturkosten belaufen sich auf 5.000 €. Folgt man der oben beschriebenen Berechnung, erhält man diese Verhältnismäßigkeit:
8.000 € Wiederbeschaffungswert – 4.000 € Restwert = 4.000 € Schadensersatzsumme
Mit 5.000 € Reparaturkosten wird die Schadensersatzsumme um 1.000€ überschritten, die Reparaturkosten sind unwirtschaftlich. An dieser Stelle liegt demnach ein wirtschaftlicher Totalschaden vor.
Sie möchten Ihren verunfallten Pkw wieder professionell in Gang bringen lassen und von dieser Sonderregelung Gebrauch machen? Dann können Sie von der gegnerischen Versicherung den maximalen Betrag von Wiederbeschaffungswert plus 30 Prozent fordern:
8.000 € Wiederbeschaffungswert x 1,3 = 10.400 € max. Reparaturkosten
Bei einem Wagen mit dem Wiederbeschaffungswert von 8.000 € können Sie demnach maximal 10.400 € für die Instandsetzung erhalten.
Totalschaden auszahlen lassen oder das Auto reparieren?
Es wird deutlich: Ob sich die Auszahlung des Totalschadens oder doch eher die Reparatur lohnt, hängt von einigen verschiedenen Faktoren ab. In erster Linie ist wichtig, ob man selbst der Geschädigte oder der Unfallverursacher ist.
Als Geschädigter kommt im Normalfall die gegnerische Versicherung für den Schaden auf. Für den Unfallverursacher ist die Situation komplexer. Auch die Art des Schadens, des Fahrzeugs und die Höhe des Restwerts spielen eine wichtige Rolle für die Entscheidung über den Verbleib des Autos.
Nicht zuletzt kommt es immer auf die individuelle Situation und das Gutachten des Profis an – sowie auf die Art der eigenen Versicherung. Sowohl die Teilkasko- als auch die Vollkaskoversicherung kommen in der Regel für die Kosten des Unfallverursachers auf. Der Geschädigte erhält die Regulierung hingegen aus der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung.
Im Falle eines technischen oder echten Totalschadens ist eine Auszahlung meist die beste Lösung. Auch bei einem wirtschaftlichen Totalschaden ergibt dieser Schritt Sinn. Hat der Unfallwagen jedoch einen hohen ideellen oder gar Seltenheitswert, kann man von der 130-Prozent-Regel Gebrauch machen und nach der Reparatur wieder Fahrt aufnehmen.
Weitere Informationen zum Thema finden Sie auf:
- Statistik über polizeilich erfasste Straßenverkehrsunfälle 2019
- Statistik über polizeilich erfasste Straßenverkehrsunfälle Schnellübersicht